段英梅 · Yingmei Duan

Kommentar zu „Talk to myself“

Es ist Herbst, die Blätter sind von den Bäumen gefallen, eine Frau im Overall steht im Garten und fegt das Laub zusammen. Die Kamera beobachtet ihre monotonen Bewegungen durch das kahle Geäst der Bäume. Sie scheint in Gedanken versunken.

Das Bild der unbekannten Frau inmitten einer romantischen Herbstlandschaft steckt voller Poesie. Die Gleichförmigkeit ihrer Bewegungen und das Geräusch des Rechens, der unablässig über den Boden scharrt, vermitteln eine angenehme Ruhe.

Dann erklingt eine kindliche Stimme und beginnt auf Chinesisch etwas zu erzählen. Es ist ungewiss, ob es die Gedanken der Frau sind, die wir im Film sehen, oder die Worte eines Kindes, das aus weiter Ferne zu uns spricht.

Der Tonfall des Mädchens weckt die Vorstellung eines verzweifelten Wesens. Ihre Sprache gibt uns Rätsel auf. Sie sinnt nach über ihr Leben, ihre Ängste und Freuden. Ihre Gedanken fliegen herum wie Schmetterlinge, lassen sich irgendwo nieder, werden aufgescheucht und finden einen neuen Ort an dem sie sich für kurze Zeit aufhalten. Am liebsten wäre sie selbst ein kleines Tier, weil Tiere nicht traurig sind. Doch am Ende muss sie erkennen, dass auch ihr Hund nie zufrieden ist. Viele Fragen brennen ihr auf der Seele: „Warum muss ein Kind erwachsen werden? Warum denkt der Mensch? Warum weiß ich nicht: Was ist gut? Was ist schlecht? Was ist richtig? Was ist falsch?...“. Der Lauf der Zeit macht ihr große Angst. In ihrer Fantasie ist die Zukunft ein beängstigendes Wesen, das im Dunkel einer Höhle wartet. Die Zeit anzuhalten könnte die Rettung sein.

“Selbstgespräch”“ von Yingmei Duan ist ein Film, der starke melancholische Wirkung entfaltet. Ähnlich wie in Kafkas Erzählungen offenbart sich ein unheimliches Gefühl dunkler Unwissenheit. Eine rätselhafte Bedrohung scheint in der Luft zu liegen, die das Mädchen nicht vermag, in klare Worte zu fassen. Hilflos stellt sie sich selbst Fragen, die sie nicht beantworten kann. Ihr naiver Blick in die Welt kann das Unheil nicht abwenden. Von kindlicher Unbekümmertheit ist jedoch nichts zu spüren, vielmehr scheint die ganze Welt auf ihr zu lasten. Es ist ein Hilferuf den sie ausstößt, Fragen, die sie uns stellt und die wir doch nicht beantworten können. Die Frau im Garten verrichtet unbeirrt ihre Arbeit. Ist sie es, die solches Leid in sich trägt? .

Am Ende singt sie ein Kinderlied, in das sie all ihren Schmerz hineinlegt.

Melanie Martin